Exkurs 5
Exkurs 5: Bartolus
Quellentext
Es ist Naturrecht und im Neuen und Alten Testament offenkundig gebilligt, daß Zinsen verboten sind, durch die Heiligsten Schriften der göttlichen Schrift, auch Autoritäten und Vernunft geboten. Denn Zinsen sind gewinnbringende Ausbeutung wider die Natur, die vor allem beim Darlehnsvertrag vorkommt, andererseits aber nenne ich es gewinnbringend, daß nicht eingeschlossen ist das lnteresse, der Schaden oder der Nachteil der Gläubiger wegen Verzuges oder Verschulden etc. Denn das ist kein Zins, sondern Zufall, D 26, 7, 58 pr. Ebenso nenne ich es Beutelschneiderei, weil jeder Zinsnehmer ein Räuber ist. Hier erkenne ich mehrere Ähnlichkeiten. Denn der Zinsnehmer ist dem Häretiker ähnlich. Wenn er glaubt keine Sünde zu begehen, so ist er doch Häretiker. Aber wenn er glaubt es sei Sünde, dann ist er Räuber. Jedenfalls ist er - ob er es nun glaubt oder nicht - einem Aussätzigen vergleichbar, der durch die Berührung mit der Krankheit andere infiziert. Und die Zinsnehmer sind eben Aussätzige und müssen aus der Gemeinschaft der Gesunden ausgeschlossen werden, weil schlechte Sitten den öffentlichen Angelegenheiten fernzuhalten sind, vgl. le. 2 und 3 aaO., wo sogar gesagt werden kann, daß sich der Zinsnehmer wider die Natur der Dinge versündigt, weil es nach der Natur unmöglich ist, daß etwas, was einmal Eines ist, zweimal Eines sein kann. Warum also werden Zinsen gesetzlich erlaubt? Ich antworte, dies ist, weil damit verbunden ist, daß ein Zweifel ausgetauscht wird: lch glaube wegen des wahren und gewissen lnteresses, daß kein Zweifel, auch nicht in Mehrdeutigkeiten festgesetzt ist, vergleiche D 5, 19, 16.
Deswegen akzeptieren Herrscher und Gesetze die Zinsen, nicht wegen Abneigung zum Seelenheil, sondern wegen der Einsicht in die Notwendigkeit, denn ohne Geld kann man nicht leben, D 32, 1, 79, und niemand will umsonst sein Geld verleihen, weshalb man von der Notwendigkeit zu Zinsen kommt... und zutreffend nennt es die Schrift Gefräßigkeit, denn der Zinsnehmer ähnelt einem Holzwurm, wenn auch der Holzwurm das Angenagte sanft berührt, so hat er doch so harte Zähne, daß er jedes Holz anknabbert und verschlingt. So ist auch der Zinsnehmer ein Wurm, der Erbvermögen verschlingt.
Weiterführende Literatur
- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971, Art. Postglossatoren, Sp. 1842 ff; Art. Baldus de Ubaldis, Sp. 285 ff; Art. Bartolus de Saxoferrato, Sp. 319 ff.
- M. Stolleis (Hrsg.)/P. Weimar, Ein biographisches Lexikon, Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, München 1995, S. 58 ff (Baldus); S. 67 ff (Bartolus).