Gegenstand des Projekts
Eine Analyse des Begriffs der „Totipotenz" zeigt, dass der Begriff in der Entwicklungsbiologie gerade in jüngerer Zeit in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet wird. Aber nicht nur dadurch, sondern auch durch kürzlich publizierte Experimente zur Reprogrammierung somatischer Zellen in vivo (2013), zu fluktuierenden totipotenz-ähnlichen Zuständen von ES- und iPS-Zellen (2012) oder zur Erzeugung menschlicher Zellkerntransferklone (2013) wird die aus der klassischen Entwicklungsbiologie stammende Definition von Totipotenz in Frage gestellt. Darüber hinaus vermeidet beispielsweise die rechtliche Qualifizierung von Parthenoten als „Embryonen" im EuGH-Urteil in der Rechtssache Brüstle (2011) den Rückgriff auf das Totipotenzkriterium vollständig. Vor diesem Hintergrund sollen im rechtswissenschaftlichen Teilprojekt in enger Zusammenarbeit mit den philosophischen und naturwissenschaftlichen Projektpartnern Aspekte (1) zur Finalität der Entwicklungsfähigkeit human-embryonaler Entitäten (Notwendigkeit einer Finalität; Einordnung von Parthenoten; empirische Ungewissheit als spezifische Herausforderung im Strafrecht), (2) zur normativen Relevanz von „Natürlichkeit" und „Artifizialität" human-embryonaler Entitäten (rechtsdogmatische und -theoretische Begründung einer solchen Differenzierung; Verhältnis von technischer Manipulation und Assistenz sowie innerer Konstitution bei normativen Bewertungen solcher Entitäten) sowie (3) zum Status „totipotenter Nicht-Embryonen" mit Blick auf Umgangsgebote bzw. -verbote analysiert und einer systematischen entwicklungsbiologisch-normativen Betrachtung unterzogen werden.