Thema der Tagung
"... als bis wir sein Warum erfasst haben":
Die Vierursachenlehre des Aristoteles als Grundlage für Hermeneutiken in Rechtswissenschaft, Philosophie und Theologie?
Ausgangspunkt der Veranstaltung ist die These eines interdisziplinären Konsenses, dass sich jeder Gegenstand dadurch systematisch begreifen lässt, dass man ihn unter dem Gesichtspunkt seiner Ursachen oder Gründe (causae) betrachtet.
Aristoteles hat eine Kategorisierung dieser Ursachen entwickelt, die sich als höchst fruchtbar erwiesen hat und die, vornehmlich in den Naturwissenschaften, als ideengeschichtliche Konstante anerkannt ist: Die Unterscheidung nach causa materialis (Bestandteile und Stoff), causa formalis (Gestalt, Wesensbegriff, Form), causa efficiens (Ausgangspunkt einer Wandlung) und causa finalis (Ziel, τέλος). Diese Kategorisierung auf andere Gegenstände als solche der natürlichen Welt, etwa auf die Inhalte von Texten mit normativem Gehalt, zu übertragen, mag fragwürdig anmuten, erscheinen im ursprünglichen Kontext die "vier Ursachen" doch auf die Methoden und Erkenntniswege der Natur zugeschnitten.
In zahlreichen textbasierten Geisteswissenschaften, wenigstens in Jurisprudenz, Theologie und Philosophie, bestehen allerdings deutliche Anhaltspunkte dafür, dass die vier causae bis auf den heutigen Tag faktisch zur Gewinnung interpretatorischer Erkenntnisse auch im Bereich von Texten mit normativen Gehalten, angewandt wird - oft, ohne dass dies weitläufig bekannt wäre oder benannt würde. Die Leitfragen etwa auch der Auslegungsmethoden der Jurisprudenz weisen zum Teil bemerkenswerte Ähnlichkeit zur Frage nach den vier Ursachen auf.
Das Ziel der geplanten Tagung besteht darin, bei einem interdisziplinären Gespräch im Rahmen von neun Fachvorträgen aus Jurisprudenz, Theologie und Philosophie sowie zwei Podiumsdiskussionen zu ermitteln, inwiefern sich der Auslegungsmethodenkanon - ideengeschichtlich bzw. der Sache nach - auf die von Aristoteles gefundene Kategorisierung zurückführen lässt, und auf welche Weise und mit welchen Besonderheiten oder Abweichungen die causae integriert sind.
Vgl. auch Klappstein, Die Aristotelische Vierursachenlehre als wissenschaftstheoretisches Fundament der juristischen Gesetzesexegese, verfügbar im SSRN: http://ssrn.com/abstract=2513104 bzw. http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.2513104.