Exkurs 3
Exkurs 3: Sachsenspiegel, Mainzer Reichslandfrieden
Bilderhandschrift und Erläuterungen
nach: Der Sachsenspiegel in Bilder. Aus der Heidelberger Bilderhandschrift ausgewählt und erläutert von Walter Koschorreck, Frankfurt am Main 1989, S. 34-41, S. 62-67, S. 84-85.
1. (Ldr. III 63 § 1 ) Weltliches und geistliches Gericht sollen einander beistehen. Die zwei Gerichtsgewalten sind durch Kaiser und Papst repräsentiert. Der Maler betont die Eintracht der beiden Häupter der Christenheit.
2. (Ldr. III 44 § 1) Translatio Imperii: »Das Reich« entstand zu Babylon, wurde von Cyrus für Persien erobert, wo es bis auf Darius (III.) blieb, dem es Alexander der Große entriß. Bei den Griechen hielt es sich so lange, »bis Rom sich seiner bemächtigte und Julius Kaiser wurde«. Der Herrscher von Babylon auf dem babylonischen Turm und Darius, der dritte in der Reihe, sind ungewappnet, weil sie »das Reich« nicht mit Gewalt erlangten.
3. (Ldr. III 44 § 1) "Noch jetzt”, so setzt Eike die Reichsgeschichte fort, "hat Rom das weltliche Schwert und von Sankt Peters wegen das geistliche”. Das weltliche Schwert trägt auf dem Bild der Kaiser. Der Papst jedoch erhält von Sankt Peter statt des geistlichen Schwertes den Schlüssel.
4 (Ldr. III 57 § 2) Königswahl. "Bei des Kaisers Kur soll der erste sein der Bischof von Mainz, der zweite der von Trier, der dritte der von Köln”.
5. (Ldr. Ill 57 § 2) Vor dem König stehen als weitere Inhaber des Erstkurrechts drei Laienfürsten mit den Attributen ihrer Erzämter: vorne der Pfalzgraf bei Rhein als Reichstruchseß, gefolgt vom Herzog von Sachsen, dem Marschall des Reiches; der Markgraf von Brandenburg versieht sein Kämmereramt, indem er dem Konig eine Schüssel mit warmem Wasser bringt, von der er gerade den Deckel abhebt. Es fehlt der Mundschenk, der König von Böhmen, dem Eike das Erstkurrecht abspricht, "weil er nicht deutsch ist”.
6. (Ldr. III 57 § 2) Nach den Fürsten, die bei der Kur die ersten sind, "küren des Reiches Fürsten alle, Pfaffen und Laien”. Sie stehen vor dem Erwählten und rufen ihn mit der gleichen Gebährde wie die Erstkürenden in Nr. 4 u. 5 mit dem feierlichen Kurspruch zum König aus. Mit der Gebärde der linken Hand bringen sie zum Ausdruck, daß es ihre Sache ist, in dem der Kur vorausgehenden Akt den König auszuwählen (irweln).
7. (Lnr. 4 § 2 ) Die sechs Inhaber des Erstkurrechts sind verpflichtet, den König, wenn er zur Kaiserkrönung (nach der wiunge) nach Rom zieht, zu begleiten, um dem Papst die Rechtmäßigkeit der Königswahl zu bezeugen. Der Papst hält den Weihwedel in der Hand, um "die Weihe” vorzunehmen.
8. (Lnr. 1) Der Lehrer des Lehnrechts, ausgestattet mit einer Rute, unterrichtet einen Junker im Lehnrecht nach "dis buches lere”. Links die sieben Heerschilde, beginnend rechts oben mit dem Adlerschild des Königs, gefolgt von dem Schild der hohen Geistlichkeit und dem der Laienfürsten, der durch das Wappen der Markgrafen von Meißen repräsentiert wird. In der zweiten Reihe das Wappen der Grafen von Wernigerode für den Heerschild der »freien Herren«, sodann zwei unbekannte Wappenschilde; einer davon steht für den Heerschild der schöffenbaren Leute und der Mannen der freien Herren, für deren Vasallen der andere. Der siebente Schild ist leer, da man nicht weiß, "ab her lenrecht adir herschilt gehaben mag” (Ldr.I 3 § 2).
9. (Ldr. III 60 § 1) Der Kaiser belehnt die geistlichen Fürsten - hier durch einen Bischof und eine Äbtissin vertreten - mit dem Szepter ("Szepterlehen”). Mit den Fahnen verleiht er weltliche Lehen ("Fahnenlehen”) an Reichsfürten.
10. (Lnr. 20 § 5) Zwei Fürsten bieten einem Vasallen die Belehnung an. Der Vasall nimmt sie von demjenigen entgegen, der selber ein Fahnlehen hat. Da sein Lehnsherr sitzt, leistet er nach strenger Observanz kniend »Mannschaft« und legt dazu seine gefalteten Hände zwischen die des Herrn.
11.(Lnr. 5 § 1 ) Steht dagegen der Herr, so bleibt auch der Mann bei der Zeremonie der Mannschaft stehen. - Im übrigen illustriert das Bild einen Rechtssatz, wonach der Herr zwei Mannen mit demselben Gut belehnen kann, indem der eine den Lehnsbesitz, der andere das »Gedinge«, d. h. eine Anwartschaft, für den Fall erhält, daß der Lehnsbesitzer ohne Lehnserben stirbt. Der Lehnsbesitzer umfaßt das Ährenbüschel als Symbol fur das Lehngut, die von einem Kreis umschlossenen Ähren bedeuten das Gedinge .
12. (Lnr. 3) Links: Zur Begründung des Lehnsverhältnisses gehört ferner der Huldeschwur des Mannes, den er auf dem Bilde mit »Gelöbnisgebärde« und unter Berühren der Reliquien ablegt. - Rechts: Außerdem wird von dem Vasallen ehrerbietiges Verhalten in Gegenwart des Herrn verlangt. Er soll vor ihm aufstehen und ihn vorangehen lassen, wie das auf dem Bild im Hause des Herrn geschieht.
Der Landfriede von Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1152)
Quellentext
nach: R. Buchner (Hrsg.), Quellen zur Deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters, Freiherr von Stein-Gedächtnisausgabe, Band XXXII mit einer Übersetzung von Lorenz Weinrich, Darmstadt 1977, S. 251 ff.
Friedrich, von Gottes Gnaden Römischer Kaiser, allzeit Mehrer des Reiches, entbietet den Bischöfen, Herzögen, Grafen, Markgrafen und Amtsträgern, zu denen dieses Schriftstück gelangt, seine Huld sowie Frieden und Zuneigung...
(1) Wenn jemand einen Menschen, der in diesem Frieden steht, tötet, soll er der Todesstrafe unterliegen, es sei denn er könnte durch einen Zweikampf beweisen, daß er jenen zum Schutz seines Lebens getötet hat. Wenn aber allen offenkundig ist, daß er ihn nicht in Notwehr, sondern vorsätzlich getötet hat, darf er sich weder durch Zweikampf noch irgendwie sonst rechtfertigen, vielmehr werde er mit dem Tode bestraft.
(2) Wenn aber ein Friedensbrecher vor dem Angesicht des Richters flüchtet, so soll vom Richter seine bewegliche Habe zugunsten des Volkes eingezogen und verteilt werden; die Erben aber sollen dessen Erbeigentum, das er innehatte, erhalten, jedoch unter Einfügung der Bedingung, daß sie unter Eid versprechen sollen, dieser Friedensbrecher werde künftig niemals mit ihrem Willen oder Einverständnis irgendeinen Nutzen davon erhalten. Wenn ihm aber die Erben unter Nichtachtung der Kraft des Gesetzes späterhin das Erbeigentum überlassen, soll der Graf dieses Erbeigentum der königlichen Botmäßigkeit überweisen und vom König dann zu Lehnsrecht aufgetragen erhalten.
(8) Wenn zwei Menschen um ein Lehen streiten und der eine für dieses Lehen einen Verleiher vorführt, soll der Graf zunächst dessen Zeugnis, falls der Verleiher die Gebühr für die Verleihung anerkennt, annehmen; und wenn dieser mit geeigneten Zeugen beweisen kann, daß er dieses Lehen ohne Raub besessen hat, soll er es weiter behalten, ohne daß Anlaß zu Streit bliebe. Wenn er aber vor dem Richter des Raubes überführt wird, soll er den Raub in doppelter Höhe entgelten, sein Lehen aber verlieren, es sei denn er könnte nach dem Gebot der Gerechtigkeit und des Gerichts dieses für später zurückfordern.
(10) Wenn ein Bauer einen Rittersmann wegen Friedensbruch belangt und mit seiner Hand schwört, daß er dies nicht vorsätzlich, sondern in Notwehr tut, soll sich der Rittersmann zur vierten Hand reinigen. Wenn ein Rittersmann einen Bauern wegen Friedensbruch belangt und mit seiner Hand schwört, daß er dies nicht vorsätzlich, sondern in Notwehr tut, soll der Bauer eine von zwei Möglichkeiten wählen: entweder soll er durch Gottes- oder Menschengericht seine Unschuld beweisen, oder er soll sich durch sieben geeignete Zeugen, die der Richter auswählt, reinigen. Wenn ein Ritter gegen einen Ritter wegen Friedensbruch oder wegen einer todeswürdigen Rechtssache einen Zweikampf führen will, soll ihm nicht die Genehmigung zum Kämpfen erteilt werden, es sei denn er könnte beweisen, daß er seit alter Zeit wie seine Eltern der Herkunft nach rechtmäßiger Ritter ist.
(11) Nach dem Festtag Mariä Geburt soll jeder Graf sich sieben Männer guten Rufes wählen und bei jeder Landschaft umsichtig verfügen und nützlich bestimmen, zu welchem Preis nach den Zeitverhältnissen das Getreide verkauft werden soll. Wer sich aber herausnimmt, gegen dessen Verfügung binnen Jahresfrist einen Scheffel für höheren Preis und teurer zu verkaufen, soll als Friedensbrecher behandelt werden und dem Grafen sovielmal zwanzig Pfund zahlen, wie er Scheffel erwiesenermaßen für höheren Preis verkauft hat.
(12) Wenn ein Bauer Waffen, Lanze oder Schwert trägt, soll ihm der Richter, in dessen Amtsbereich er sich befindet, die Waffen fortnehmen oder statt dessen zwanzig Schilling vom Bauern erhalten.
(13) Ein Kaufmann, der in Geschäften über Land reist, soll sein Schwert an seinen Sattel binden oder auf seinen Wagen legen, damit er nicht etwa einen Unschuldigen verletzt, sich aber vor Räubern schützen kann.
(14) Niemand soll seine Netze oder Schlingen oder sonstige andere Geräte zum Wildfang spannen, es sei denn zum Fang von Bären, Wildschweinen oder Wölfen.
(19) Wenn Dienstmannen eines Herrn untereinander Fehde haben, sollen daraufhin der Graf oder Richter, unter dessen Herrschaftsbereich sie dies ausfechten, Gesetz und Gericht wahrnehmen.
(20) Jeder der über Land reist und sein Pferd fressen lassen will, darf seinem Pferd, was er ganz nahe am Rande des Weges stehend fassen kann, als Futter und Erholung für sein Pferd straffrei geben. Es soll auch erlaubt sein, daß jedermann Grashalme und grünendes Buschwerk ohne Verwüstung und Schaden zu seinem Vorteil und Bedarf verwendet.
Weiterführende Literatur
- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Gießen 1978, Art. Landfrieden I und II, Sp. 1451 ff.; Art. Fehde, Sp. 1083 ff.
- A. Buschmann, Der Mainzer Reichslandfriede von 1235 - Anfänge einer geschriebenen Verfassung im Heiligen Römischen Reich, JuS 1991, 453 ff.