Exkurs 4
Exkurs 4: Methode der Glossatoren
Quellentext
nach: H. Hattenhauer / A. Buschmann, Textbuch zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit mit Übersetzungen, München 1967, S. 32 f.
Praemitto, scindo, summo casumque figuro / Perlego, do causas, connoto, objicio.
Ich mache die Vorbemerkung, zergliedere den Text / fasse den wesentlichen Inhalt kurz zusammen / bilde Beispielsfälle / lese kritisch den Text / begründe / mache allgemeine Anmerkungen / und kläre Streitfragen.
Weiterführende Literatur
- L. Lutz (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, München 1989, Art. Glossen, Sp. 1508 ff.
- A. Erler / E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971, Art. Glossatoren, Sp. 1708 ff.
- H. Lange, Römisches Recht im Mittelalter, Band I, München 1997, S. 111 ff.
Summe des Irnerius: Über Miete, Pacht und Dienstvertrag
Quellentext
aus: H. Hattenhauer / A. Buschmann, Textbuch zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit mit Übersetzungen, München 1967, S. 33 f.
Distinctio: Man vermietet zuweilen seine Sachen, zuweilen Dienste, zuweilen Sache und Dienst. Wenn jemand seine Sache vermietet, so kann es entweder an ihm oder an einem von ihm zu vertretenden Zufall liegen, daß der Mieter seine Sache nicht benutzen kann und gleichwohl durch die actio locati verpflichtet wird. Im ersten Fall aber, wenn es nämlich an ihm liegt, schuldet er Schadensersatz, zu dem auch der entgangene Gewinn gerechnet wird, oder die vereinbarte Vertragsstrafe, wenn der Mieter den Mietzins gezahlt hat, und die Sache vertragsgemäß behandelt und keinen vertragswidrigen Gebrauch von ihr gemacht hat (vergl. Cod. 4, 65, 3 u. 15; Dig. 19, 2, 15; 19, 2, 54; 19, 2, 15, 7; 19, 2, 33; 19, 2, 24, 4). Im zweiten Fall, wenn es nämlich an einem Zufall liegt, muß der Mietzins pro rata erlassen oder zurückerstattet werden, etwa dann, wenn ein gemietetes Gebäude zerstört oder Land durch ein Erdbeben verwüstet wird (Dig. 19, 2, 9; 19, 2, 15; 19, 2, 19, 9; 19, 2, 15, 6; 19, 2, 30, 1). Das gleiche gilt, wenn der Vermieter die vermietete Sache aus Not zerstört oder wenn er dringenden Eigenbedarf nachgewiesen hat; ferner wenn der Mieter die gemietete Sache aus begründeter Furcht verläßt oder wenn er von demjenigen am Sachgebrauch gehindert wird, den der Vermieter wegen größerer Gewalt und Überlegenheit nicht daran hindern kann (vergl. Dig. 19, 2, 30; 19, 2, 33; 19, 2, 34; 19, 2, 35; 19, 2, 27; Cod. 4, 65, 43 [?]).
Wenn es aber am Mieter oder an einem von ihm zu vertretenden Zufall liegt, daß er die gemietete Sache nicht benutzen kann, bleibt er zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet (vergl. Dig. 19, 2, 61).
Wenn aber jemand seine Dienstleistungen vermietet oder eine Sache und Dienstleistungen zugleich, und es nicht an ihm liegt, daß er nicht leisten kann, sondern am Berechtigten, der durch Zufall gehindert wird, so ist die Vergütung für die ganze Zeit zu entrichten.
Wenn es aber am Verpflichteten liegt, daß er seine Dienste nicht leistet, oder an einem von ihm zu vertretenden Zufall, so schuldet er im ersten Fall Schadensersatz und muß den Dienstlohn auch für den Teil der Zeit zurückerstatten, in der er die Dienste geleistet hat (vergl. Cod. 4, 65, 14; Dig. 19, 2, 13, 4 [?]; Cod. 4, 6, 11).
Weiterführende Literatur
- M. Stolleis (Hrsg.)/P. Weimar, Ein biographisches Lexikon, Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, München 1995, S. 315.
- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971, Art. Glossatoren, Sp. 1709.
- H. Lange, Römisches Recht im Mittelalter, Band I, München 1997, S. 154 ff.
Glossa Ordinaria des Accursius
Quellentext
nach: H. Hattenhauer/A. Buschmann, Textbuch zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, München 1967, S. 45.
Dig. 12, 1, 18: Ulpian im siebenten Buch seiner Erörterungen: Wenn ich dir schenkungshalber Geld gebe und du es als Darlehn annimmst, dann glaubt Julian, daß es sich nicht um eine Schenkung handele. Aber es ist die Frage, ob nicht ein Darlehn vorliegt. Ich glaube vielmehr, daß auch kein Darlehn vorliegt und das Geld auch nicht Eigentum des Empfängers wird, da er es in einer anderen Vorstellung empfangen hat. Wenn er es daher verbraucht, so besteht zwar ein Bereicherungsanspruch gegen ihn: er kann jedoch die Einrede der Arglist geltend machen, da das Geld nach dem Willen des Gebers verbraucht worden ist.
Glosse: "Wenn ich.” Rechtsfall. Du hast von mir ein Darlehn erbeten. Ich habe es dir nicht darlehnshalber sondern schenkungshalber gezahlt. Du aber glaubst, ich hätte ein Darlehn gegeben. Ist es eine Schenkung oder ein Darlehn? Es ist weder eine Schenkung noch ein Darlehn. Aber wenn das Geld verbraucht ist, ist es geschuldetes Geld. Aber mir steht die Einrede der Schenkung entgegen, weil nämlich das Geld verbraucht ist und ich gewollt und gewußt habe, daß es nicht zurückverlangt werden sollte. Dasselbe gilt für die folgenden Fälle. Aber in ihnen steht dem Fordernden keine Einrede entgegen. Wie im obigen Fall wird das Darlehn durch den Verbrauch des Geldes wiederhergestellt.
Vivianus Tuscus.
"Nicht wird.” Allerdings scheint es doch sein Eigentum zu werden. Denn wir sind uns über die Sache und über die Eigentumsübertragung einig, über den Rechtsgrund freilich sind wir uns nicht einig. Vergl. aber die anderslautende Stelle Dig. 41, 1, 36. Lösung: Hier bestand ein bestimmter Rechtsgrund, auf Grund dessen allein die Eigentumsübertragung vorgenommen werden sollte: nämlich die Schenkung. Er wollte ihm die Sache aus keinem anderen Rechtssgrund zuwenden. Dort wollte er sie gegebenenfalls auch auf andere Weise dem anderen zuwenden. Anders ausgedrückt: dort war der Übergabe ein Schenkungsversprechen oder eine Schuld vorausgegangen. Von daher ist es nur möglich, daß es als Geschenk übergeben wird, du es als geschuldet annimmst und es dennoch dein Eigentum wird. Vergl. Dig. 18, 1, 9. Hier aber ist der Fall als eine zukünftige Schenkung aufzufassen, und man kann sagen, daß es Irrtümer sind, die die Verträge unwirksam machen. Vergl. Dig. 18, 1, 19.
Accursius.
Weiterführende Literatur
- M. Stolleis (Hrsg.)/P. Weimar, Ein biographisches Lexikon, Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, München 1995, S. 18.
- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971, Art. Glossatoren, Sp. 1711.