Exkurs 8
Exkurs 8: Windscheid
Quellentext: Windscheid, Subjektives Recht als Willensmacht
1. Recht auf ein gewisses Verhalten, Thun oder Unterlassen, der dem Berechtigten gegenüberstehenden Personen oder einer gegenüberstehenden Person. Die Rechtsordnung (das Recht im objectiven Sinne, das objective Recht) hat auf Grund eines concreten Thatbestandes einen Befehl zu einem Verhalten bestimmter Art erlassen und diesen Befehl demjenigen, zu Gunsten dessen sie ihn erlassen hat, zur freien Verfügung hingegeben. Sie überläßt es ihm, ob er von dem Befehl Gebrauch machen, und im Besondern ob er die ihm gegen den Widerstrebenden von der Rechtsordnung gewährten Mittel zur Anwendung bringen will, oder nicht. Demgemäß ist sein Wille maßgebend für die Durchsetzung des von der Rechtsordnung erlassenen Befehls. Die Rechtsordnung hat sich des von ihr erlassenen Befehls zu seinen Gunsten entäußert, sie hat ihren Befehl zu seinem Befehl gemacht. Das Recht ist sein Recht geworden. [...] Recht ist eine von der Rechtsordnung verliehene Willensmacht oder Willensherrschaft.
Bernhard Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl., 1. Band, Frankfurt a.M. 1891, § 37, S. 87 f.
Quellentext: Windscheid, Wissenschaftliche Behandlung des Rechts
Die Auslegung bildet keinen Gegensatz zu der wissenschaftlichen Behandlung des Rechts, sie ist wissenschaftliche Behandlung, schon die niedere, welche den Sinn der vom Gesetzgeber gebrauchten Worte, um so mehr die höhere, welche den eigentlichen Gedanken eines Rechtssatzes oder eines Rechtsganzen bestimmt. [...] Die neuere Rechtswissenschaft hat die entschiedene Tendenz, in der Zerlegung der Begriffe möglichst weit zu gehen. Und dieß ist ihr Verdienst. Denn in der That hängt von der erschöpfenden Erfassung des Inhalts der in den Rechtssätzen enthaltenen Begriffe nicht nur das volle Verständnis des Rechts ab, sondern auch die Sicherheit seiner Anwendung. [...] Auch der eigentliche Gedanke des Rechtssatzes stellt sich noch dar in Begriffen, dh. in Zusammenfassungen von Denkelementen.
Bernhard Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 1. Aufl., 1. Band, Frankfurt a.M. 1862, § 24, S. 55 ff.
Weiterführende Literatur
- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Gießen 1978, Art. Windscheid, Josef Hubert Bernhard, Sp. 1442 ff.
- U. Falk, Der wahre Jurist und der Jurist als solcher, Zum Gedenken an Bernhard Winscheid, RJ 1993, 598 ff.
- G. Kleinheyer/J. Schröder, Bernhard Windscheid, in: Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, Heidelberg 19964, S. 442 ff.
- J. Rückert, Bernhard Windscheid und seine Jurisprudenz "als solche” im liberalen Rechtsstaat (1817-1892), JuS 1992, 902 ff.