Quellentext CCC
nach: G. Radbruch (Hrsg.), Die peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 (Carolina), 6. Auflage, Stuttgart 1975.
Vorrede [Zweck des neuen Strafrechts: Verhinderung ungerechter Bestrafung]
Die Carolina soll unter anderem erlassen werden: weil: "an viel orten offtermals wider recht vnd gute vernunfft gehandelt vnnd entweder die vnschuldigen gepeinigt vnd getödt, oder aber die schuldiger, durch unordentliche geuerliche vnd verlengerliche handlung den peinlichen klegern, vnd gemeynem nutz zu grossem nachtheyl gefristet, weggeschoben vnd erledigt werden, ...”
Von vnnottürfftigen vnnützen geuerlichen fragen so vor gericht beschehen
Art. 100 CCC [= 121 CCB; Wahrheit und Gerechtigkeit] Item nach dem auch an vnß gelangt ist daß bißher an etlichen peinlichen gerichten, vil überflüssiger frag vnnd andingung gebraucht, die zu keyner erfarung der warheyt oder gerechtigkeyt not sein sonder alleyn das recht verlengern vnd verhindern, solche vnd andere vnzimliche mißbreuch, so das recht on not verziehen oder verhindern, oder die leut gefern wöllen wir auch hiemit auffgehaben vnd abgethan haben, ...
Von nachfrag vnd erkundung der bösen bekanten vmbstenden
Art 54 CCC [= 66 CCB]. Item so obgemelt fragstuck auff bekantnuß die auß oder on marter geschicht gebraucht werden, So soll alsdann der richter an die end schicken, vnnd nach den vmbstenden, so der gefragt, der bekanten missethat halber erzelt hat souil zu gewißheyt der warheyt dienstlich, mit allem fleiß fragen lassen ob die bekantnuß der obberürten vmbstende war sein oder nit, dann so eyner anzeygt die maß vnnd form der missethat als vor zum theyl gemelt ist, vnd sich dieselben vmbstende also erfinden, so ist darauß wol zumercken, daß der gefragt die bekanten missethat gethon hat, sonderlich so er solch vmbstende sagt, die sich inn der geschicht haben begeben, die keyn vnschuldiger wissen kan.
Keynem gefangen die vmbstende der missetbat vor zusagen, sonder jn die gantz von jm selbst sagen lassen
Artikel 56 CCC [= 48 CCB] Item der gefangen soll auch zum minsten über den andern, oder mer tag nach der marter, vnnd seiner bekantnuß nach gutbeduncken des richters in die büttelstuben oder ander gemach für den bann richter, vnnd zwen des gerichts gefürt, vnd jm sein bekentnuß durch den gerichtschreiber fürgelesen, und alsdann anderwerd darauff gefragt, ob sein bekantnuß wahr sei, vnnd was er dazu sagt auch auffgeschriben werden.
Von mißbreuchen vnd bösen vnzernünfftigen gewonheyten, so an etlichen orten vnd enden gehalten werden
Artikel 218 CCC [Mißbrauch der Gefängnisse] So werden auch an vilen peinlichen gerichten vnd der selben mancherley mißbreuch erfunden, als daß die gefengknuß nit zu der verwarung sonder mer peinigung der gefangen vnd eingelegten zugericht ...
Das on redliche anzeygxng niemant soll peinlich gefragt werden
Art 20 CCC [= 28 CCB; Folter ohne ausreichende Indizien] Item wo nit zuuor redlich anzeygen der mißthat darnach man fragen wolt vorhanden, vnnd beweist wurde, soll niemants gefragt werden, vnd ob auch gleich wol, auß der marter die missethat bekant wurd, So soll doch der nit geglaubt noch jemants darauff verurtheylt werden.
Annemen der angegeben übelthetter von der oberkeyt vnnd ampts wegen
Artikel 6 CCC [= 10 CCB; Indizien] Item so jemandt eyner übelthat durch gemeynen leumut, berüchtiget, oder andere glaubwirdige anzeygung verdacht ynd argkwonig, vnnd derhalb durch die oberkeyt vonn ampts halben angenommen würde, der soll doch mit peinlicher frage, nit angegriffen werden, es sei dann zuvor redlich, vnd derhalb genugsame anzeygung vnnd vermutung von wegen derselben missenthat auff jnen glaubwirdig gemacht. Darzu soll auch eyn jeder richter, inn disen grossen sachen vor der peinlichen frag, souil müglich vnd nach gestalt vnd gelegenheyt eyner jeden sachen, beschehen kan, sich erkundigen, vnd fleissig nachfragens haben, ob die missethat darumb der angenommen berüchtiget vnnd verdacht, auch beschehen sei oder nit, wie hernach, inn diser vnser ordnung ferner erfunden wirdet.
So der beklagt nach der beweisung nit bekennen wolt
Artikel 69 CCC [= 80 CCB; Zeugenbeweis] Item so der beklagt, nach gnugsamer beweisung noch nit bekennen wolt, soll jm angezeygt werden, daß er der missethatt bewiesen sei, ob man dardurch sein bekantnuß dester er auch erlangen kündt, ob er aber dannocht darüber nochmals nit bekennen wolt, des er doch, als obsteht, gnugsam bewisen wer, so solt er nicht destweniger der beweisten mißthatt nach, on eynich peinlich frage verurtheylt werden.
Von gnugsamen zeugen
Artikel 66 CCC [Zeugenbeweis] Gnugsame zeugen seindt die, die vnbeleumdet, vnd sunst mit keyner rechtmessigen vrsach zuuerwerffen sein.
Von belonten zeugen
Artikel 64 CCC [= 76 a CCB; Zeugenbestechung] Item belonte zeugen, sein auch verworffen, vnd nit zulessig, sonder peinlich zu straffen.
Wie zeugen sagen sollen
Artikel 65 CCC [= 77 CCB; Hörensagen] Item die zeugen sollen sagen, von jrem selbs eygen waren wissen, mit anzeygung jres wissen gründtlicher vrsach. So sie aber vonn frembden hören sagen würden, das soll nit gnugsam geacht werden.
Von den ksentschafft verhörern imm gericht
Artikel 71 CCC [= 82 CCB; Zeugenvernehmung] So nun das selbig peinlich gericht mit personen, die solche kuntschafft rechtmessiger weiß zu verhören geschickt vnd verstendig seind, besatzt ist, so soll der richter sampt zweyen auß den selben darzu tüglich vnnd dem gerichtschreiber gemelte kundtschafft wie sich inn recht gebürt, mit fleiß verhören vnd sunderlich eygentlich auffmercken, ob der zeug inn seiner sage würd wanckelmütig vnd vnbestendig erfunden, solch vmbstende, vnd wie er den zeugen inn eusserlichen geberde vermerckt zu dem handel auffschreiben.
Gemeyn anzeygung der jetliche alleyn, zu peinlicher frag gnugsam ist
Artikel 29 CCC [= 36 CCB] Item so eyner inn übung der thatt, etwas verleust oder hinder jm ligen oder fallen lest, daß man hernachmals finden vnd ermessen mag daß es des thetters gewesen ist, mit erkundigung, wer solchs am nechsten vor der verlust gehabt hat, ist peinlich zu fragen, er würde dann etwas dargegen fürwenden, wo es sich erfünde oder bewiesen würde, daß es bemelten argkwon ableynet, alßdann soll die selb entschuldigung, vor aller peinlicher frage zuerfaren fürgenommen werden.
Von mordt der heymlichen geschicht gnugsam anzeygung
Artikel 33 CCC [= 40 CCB; Besondere Indizien] Item so der verdacht vnnd beklagt des mordts halber vmb die selbig zeit, als der mordt geschehen verdechtlicher weiß, mit blutigen kleydern, oder waffen gesehen worden, Oder ob er des ermordten habe, genommen, verkaufft, vergeben, oder noch bei jm hett, das ist für eyn redlich anzeygen anzunemen vnd peinlich frage zugebrauchen, er kündte dann solchen verdacht mit glaublicher anzeyge oder beweisung ableynen, daß soll vor aller peinlicher frag gehort werden.
Von der maß peinlicher frage
Artikel 58 CCC [= 71 CCB; Art und Maß der Folterung] Item die peinlich frag soll nach gelegenheyt des argkwons der person, vil, offt oder wenig, hart oder linder nach ermessung eyns guten vernünfftigen Richters, fürgenommen werden, vnd soll die sag des gefragten nit angenommen oder auffgeschriben werden, so er inn der marter, sondern soll sein sag thun, so er von der marter gelassen ist.
Erstlich vom mordt
Artikel 48 CCC [= 60 CCB; Befragung und nach dem erfolterten Geständnis] Item so der gefragt der angezogen missethat durch die marter, als vorsteht, bekenntlich ist, vnd sein bekantnuß auffgeschrieben wirdet, So sollen jnen die verhörer seiner bekantnuß halber gar vnderschiedlich (wie zum theyl hernach berürt wirdet) vnnd dergleichen so zu erfarung der warheyt dinstlich, fleissig fragen, vnnd nemlich bekent er eyns mordts, man soll jn fragen, auß was vrsachen er die thatt gethan, auff welchen tag vnd stundt, auch an welchem endt, ob jm jemandts vnd wer jm darzu geholffen, Auch wo er den todten hin vergraben oder gethan, mit was waffen solcher mordt beschehen sei, wie vnnd was er dem todten für schlege oder wunden geben oder gehawen, oder sunsten vmbbracht habe, was der ermordt bei jm gehapt von gelt oder anderm, vnd was er jm genommen, wo er auch solche nam hingethan, verkaufft, vergeben, onworden, oder verborgen habe, vnd solch frag ziehen sich auch inn vil stücken wol auff rauber vnd dieb.
Von straff der furderung, hillff vnd beistand der missteter
Artikel 177 CCC [= 203 CCB; Hilfe, Beistand] Item so jemand eynem mißthätter zu übung eyner mißthatt, wissentlicher vnd geuerlicher weiß einicherley hilff, beistandt oder fürderung, wie das alles namen hat, thut, ist peinlich zu straffen, als aber vorsteht, inn eynem fall anderst dann inn dem andern, darumb sollen inn disen fellen, die vrtheyler mit berichtung der verhandlung, auch wie solchs an leib oder leben soll gestrafft werden, als obsteht radts pflegen.
Straff vnderstandner missetbatt
Artikel 178 CCC [= 204 CCB; Versuch] Item so sich jemandt eyner missethatt mit etlichen scheinlichen wercken, die zu volnbringung der missethatt dienstlich sein mögen, vndersteht, vnnd doch an volnbringung der selben missethat durch andere mittel, wider seinen willen verhindert würde, solcher böser will, darauß etlich werck, als obsteht volgen, ist peinlich zu straffen, Aber inn eynem fall herter dann inn dem andern angesehen gelegenheit vnd gestalt der sach, darumb sollen solcher straff halben die vrtheyler, wie hernach steht, radts pflegen, wie die an leib oder leben zuthun gebürt.
Stelen inn rechter hungers nott
Artikel 166 CCC [= 192 CCB; Diebstahl aus Hungersnot] Item so jemandt durch recht hungers not, die er, sein weib oder kinder leiden, etwas von essenden dingen zu stelen geursacht würde, wo dann der selb diebstall tapffer groß vnd kündtlich wer, sollen abermals richter vnd vrtheyler (als obsteht) radts pflegen. Oder aber der selbigen dieb einer vnsträfflich erlassen würd, soll jm doch der kläger vmb die klag, deßhalb gethan nichts schuldig sein.
Zur Folter
So heißt es beispielsweise bei Anton Prätorius: "In dicken, starken Thürmen, Pforten, Blockhäusern, Gewölben, Kellern, oder sonst tiefen Gräben sind gemeinlich die Gefängnisse” ... Hier "sitzen etliche gefangen in grosser Kälte, daß ihnen auch die Füsse erfrieren, und abfrieren, und sie hernach, wenn sie loskämen ihr Lebtage Krüppel seyn müssen. Etliche liegen in stäter Finsterniss, daß sie der Sonne Glanz nimmer sehen, wissen nicht, obs Tag oder Nacht ist. Sie alle sind ihrer Gliedmassen wenig oder gar nicht mächtig, haben immerwährende Unruhe, liegen in ihrem eigenen Mist und Gestank, viel unflätiger und elender, denn das Viehe, werden übel gespeiset, können nicht ruhig schlafen, haben viele Bekümmerniss, schwere Gedanken, böse Träume, Schrecken und Anfechtung. Und weil sie Hände und Füsse nicht zusammen bringen und wo nöthig hinlenken können, werden sie von Läusen und Mäusen, Steinhunden und Mardern übel geplaget, gebissen und gefressen. Werden über das noch täglich mit Schimpf, Spott und Dräung vom Stöcker und Henker gequält und schwermütig gemacht. Summa: wie man sagt, alle Gefangen arm. Und weil solches alles mit den armen Gefangen bisweilen über die Massen lang währt, zwei, drei, vier, fünf Monat, Jahr und Tag, ja etliche Jahr werden solche Leute, ob sie wohl anfänglich guten Muths, vernünftig, geduldig und stark gewesen, doch in der Länge schwach, kleinmütig, verdrossen, ungeduldig, und wo nicht ganz, doch halb töricht, misströstig und verzagt.”
Zit. nach Helbing-Bauer, Tortur. 211 ff.
Weiterführende Literatur
- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971, Art. Carolina, Sp. 592 ff.
- G. Radbruch, Zur Einführung in die Carolina, in: Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532, Stuttgart 1991, S. 5 ff.
1. Hinrichtungszahlen während des 16. Jhs.
Stadt Jahre Summe Schnitt
Nürnberg 1503–1600 597 6,09
Zürich 1500–1600 569 5,69
Augsburg 1545–1596 167 3,21
München 1574–1591 48 2,66
Mecheln 1500–1600 255 2,55
Frankfurt 1501–1600 248 2,48
Memmingen 1551–1600 72 1,44
2. Hinrichtungen in München nach Delikten 1574-1591
Stadt Jahre Summe Schnitt
Nürnberg 1503–1600 597 6,09
Zürich 1500–1600 569 5,69
Augsburg 1545–1596 167 3,21
München 1574–1591 48 2,66
Mecheln 1500–1600 255 2,55
Frankfurt 1501–1600 248 2,48
Memmingen 1551–1600 72 1,44
3. Kriminalität in Kurbayern zu Anfang des 18. Jahrhunderts
Sittlichkeitsdelikte 14%
Eigentumsdelikte 52%
Gewaltdelikte 18%
Religionsdelikte 4%
Staatsdelikte 4%
Verfahrensdelikte 1%
Statusdelikte 3%
Sonstige 4%
4. Kriminalität in Kurbayern in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts
Sittlichkeitsdelikte 30%
Eigentumsdelikte 25%
Gewaltdelikte 20%
Verbrechen gegen die Religion 6%
Verbrechen gegen den Staat 3%
Verfahrensdelikte 3%
Statusdelikte 7%
Sonstige 4%
aus: G. Radbruch (Hrsg), Die peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532, Stuttgart 1967, S. 72; K.A. Eckhardt (Hrsg.), Sachsenspiegel I, Landrecht, Aalen 1973, S. 143-144; H.C. Hirsch (Hrsg.), Der Sachsenspiegel (Landrecht), Berlin und Leipzig 1930, S. 180.
Carolina: Von vnnottürfftigen vnnützen geuerlichen fragen so vor gericht beschehen - 100. Item nach dem auch an vnß gelangt ist daß bißher an etlichen peinlichen gerichten, vil überflüssiger frag vnnd andingung gebraucht, die zu keyner erfarung der warheyt oder gerechtigkeyt not sein sonder alleyn das recht verlengern vnd verhindern, solche vnd andere vnzimliche mißbreuch, so das recht on not verziehen oder verhindern, oder die leut gefern, wöllen wir auch hiemit auffgehaben vnd abgethan haben, Vnd wo an die oberkeyt gelangt, daß darwider gehandelt wirt, soll sie das ernstlich abschaffen vnnd straffen, so offt das zu schulden kompt.
Sachsenspiegel: Ldr. II 13 § 7. Swelc kersten man unghelovich is, oder mit toverie umbeiumme geit oder mit vorgiftnisse, unde des verwunnen wert, den scal men op der hort bernen. (Welcher Christenmann ungläubig ist oder mit Zauber umgeht oder mit Vergiftungen, und dessen überführt wird, den soll man auf dem Scheiterhaufen verbrennen).
Quellentext
aus: W.G. Soldan/H. Heppe, Geschichte der Hexenprozesse Band 2, hg. von Max Bauer, Hanau/Main, Nachdruck der 3. Auflage von 1911, S. 96-98.
U.a. bekannter Fall der Katharina Lips aus Oberhessen v. 4.5.1672, in: Soldlan-Heppe, Hexenprozesse 1, 387f.; Helbing-Bauer, Tortur 285 ff. "Hierauf ist ihr nochmals das Urteil vorgelesen worden und erinnert worden, die Wahrheit zu sagen. Sie ist aber beständig bei dem Leugnen geblieben, hat sich selber herzhaft und willig ausgezogen, worauf sie der Scharfrichter mit den Händen angeseilt, hat wieder abgeseilt, peinlich Beklagtin hat gerufen: ,O wehe! O wehe!' Ist wieder angeseilt, hat laut gerufen: ,O wehe! O wehe! Herr im Himmel! Komme zu Hilfe!' Die Zehen sind angeseilt worden, hat um Rache gerufen und ihre Arme brechen ihr. Die spanischen Stiefel sind ihr aufgesetzt, die Schraube auf dem rechten Bein ist zugeschraubt, ihr ist zugeredet worden, die Wahrheit zu sagen. Sie hat aber darauf nicht geantwortet. Die Schraube auf dem linken Bein auch zugeschraubt. Sie hat gerufen, sie kenne und wüsste nichts, hat gerufen, sie wüsste nichts, hat um das Jüngste Gericht gebeten, sie wüsste ja nichts, hat sacht in sich geredet, sie wüsste und kenne nichts. Die linke Schraube gewendet. Peinlich Befragte ist aufgezogen, sie hat gerufen: ,Du lieber Herr Christ, komme mir zu Hilfe!' Sie kenne und wüsste nichts, wenn man sie schon ganz tot arbeite. Ist höher aufgezogen, ist still worden und hat gesagt, sie wäre keine Hexe. Die Schraube auf dem rechten Bein zugeschraubt, worauf sie ,O wehe!' gerufen. Es ist ihr zugeredet worden, die Wahrheit zu sagen. Sie ist aber dabei blieben, dass sie nichts wüsste, ist wieder niedergesetzt worden, die Schrauben sind wieder zugeschraubt, hat geschrieen: ,O wehe! O wehe!' Wieder zugeschraubt auf dem rechten Bein, ist stille worden und hat nichts antworten wollen, zugeschraubt, hat laut gerufen, wieder stille worden und gesagt, sie kenne und wüsste nichts. Nochmals aufgezogen, sie gerufen: ,O wehe! O wehe!' ist aber bald ganz stille worden. Ist wieder niedergesetzt und ganz stille blieben, die Schrauben aufgeschraubt. Es ist ihr vielseitig zugeredet worden, sie ist dabei blieben, dass sie nichts kenne und wüsste. Die Schrauben höher und zugeschraubt, sie laut gerufen uns geschrieen, ihre Mutter unter der Erde sollte ihr zu Hilfe kommen. Ist bald ganz still worden und hat nichts reden wollen. Härter zugeschraubt, worauf sie angefangen zu kreischen und gerufen, sie wüsste nichts. An beiden Beinen die Schrauben höher gesetzt, daran geklopft, sie gerufen: ,Meine liebe Mutter unter der Erde, o Jesu, komm mir zu Hilfe!' Am linken Bein zugeschraubt, sie gerufen und gesagt, sie wäre keine Hexe, das wüsste der liebe Gott, es wären lauter Lügen, die von ihr geredet worden. Die Schraube am rechten Bein härter zugeschraubt, sie anfangen zu rufen, aber stracks wieder ganz stille worden. Hierauf ist sie herausgeführt worden von dem Meister, um ihr die Haare vom Kopf zu machen. Darauf er, der Meister, kommen und referiert, dass er das Stigma gefunden, in welches er eine Nadel übers Glied tief gestochen, welches sie nicht gefühlt, auch kein Blut herausgegangen. Nachdem ihr die Haare abgeschoren, ist sie wieder angeseilt worden an Händen und Füssen, abermals aufgezogen, da sie geklagt und gesagt, sie müsste nun ihr liebes Brot heischen, hat laut gerufen, ist wieder ganz stille worden, ....
Weiterführende Literatur
- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971, Art. Hexenprozesse, Sp. 145 ff; Art. Inquisitionsprozeß, Sp. 378 ff.
aus: R. v. Dülmen, Theater des Schreckens. Gerichtspraxis und Strafrituale in der frühen Neuzeit, München 1985; Tab. 2, S. 188; G. Köbler, Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1988, Bild 1, S. 284; R.v. Dülmen, Verbrechen, Strafen und soziale Kontrolle (=Studien zur historischen Kulturforschung III), Frankfurt a.M. 1990, S. 93.
Tabelle 1: Zurückgehender Einsatz der Tortur im Einflußbereich des Hofrats im 17. Jahrhundert.
Gesamtzahl der Fälle davon mit Einsatz der Tortur
einmal zweimal dreimal Gesamt
1650 344 16% 18% 10% 44%
1680 301 14% 6% 4% 24%
1690 227 8,5% 4,5% 2,5% 16%
Tabelle 2: Nürnberg* 1503-1743
Quelle ist noch nicht konvertiert und wird nachgereicht.
- Romanhaft, aber sehr lesenswert: M. Kunze, Straße ins Feuer. Vom Leben und Sterben in der Zeit des Hexenwahns, München 1982.
Die Hofratsvisitation vom August 1608. Die Untersuchungen gegen Hofkanzler Dr. Wagnereck und gegen Hofrat Dr. Vagh
aus: R. Heydenreuter, Der landesherrliche Hofrat unter Herzog und Kurfürst Maximilian I von Bayern (1598-1651), München 1981, S. 145-146; 149; 227-230.
Im Jahre 1608 kamen die schon bei den Hofratsvisitationen von 1605/6 sichtbar gewordenen inneren Gegensätze noch einmal voll zum Ausbruch. Während im Jahre 1606 der damalige Hofkanzler Dr. Gailkirchner und sein »Verbündeter«, der Hofrat Dr. Soll das Ziel und Opfer der Hofratsinquisition gewesen waren, mußten sich diesmal die Ankläger von 1606, Hofkanzler Dr. Wagnereck und Hofrat Dr. Vagh, einer herzoglichen Untersuchung stellen.
Hauptgegner der beiden war der Hofoberrichter Bernhard Barth. Aber auch ein Großteil der übrigen Hofräte waren über den Eigensinn des Hofkanzlers und über die Arroganz des Hofrats Dr. Vagh verstimmt. Dies ergibt sich aus den Berichten, die von den Hofratsmitgliedern auf herzoglichen Befehl im August 1608 erstattet wurden.
Besonders in juristischen Fragen wurde dem Hofkanzler allgemein Eigensinn vorgeworfen. Gegen die Hofratsmehrheit würde Wagnereck halsstarrig auf seiner Meinung beharren. Dr. Aurbach bringt in seinem Bericht zwei Beispiele: Bei der Beratung der vom Landtag 1605 aufgeworfenen Rechtsfrage, ob die nach römischem Recht unzulässige Bürgschaftsleistung (Interzession) der Ehefrau für den Ehemann in Bayern kraft Gewohnheitsrecht wirksam sei, habe Wagnereck beharrlich ein derartiges Gewohnheitsrecht in Bayern geleugnet, obwohl ihm andere Hofräte das Gegenteil beweisen konnten.
Bei der Verhandlung über den Fall einer »Unholdin«, die in der Tortur nichts gestanden hatte, war von Dr. Wagnereck beantragt worden, man solle über den Ruf der Beschuldigten weitere Erkundungen einziehen, um neue Indizien für die Fortführung der Tortur zu erlangen.
Nachdem er, Dr. Auerbach, den Hofkanzler auf die Unzulässigkeit eines solchen Vorgehens aufmerksam gemacht habe, sei es zu einer Auseinandersetzung gekommen, in deren Verlauf Dr. Wagnereck bemerkte, daß man mit diesen Leuten (wie dieser »Unholdin«) »viel zu kühl« umgehe.
Auch der Hofoberrichter Bernhard Barth erhielt von Maximilian einen Verweis. Er wurde ermahnt, in Abwesenheit des Obersthofmeisters und des Hofratspräsidenten den Räten nicht mehr beim Votieren ins Wort zu fallen. Dies würde seine Direktionsbefugnis weit überschreiten.
In einem Malefizprozeß hätte er darüber hinaus unzulässigerweise gegen einen ausdrücklichen Hofratsbeschluß die Tortur gemildert. Es sei auch unangebracht, in Gegenwart des Delinquenten und während der Tortur über Recht und Unrecht des Verfahrens mit dem Hofkanzler zu diskutieren.
Hofrat und Strafrechtspflege
Im Unterschied zum Zivilverfahren kannte das bayerische Strafverfahren wie es in der Malefizprozeß von 1616 eine erschöpfende Kodifizierung gefunden hatte, keinen Rechtszug vom Landgericht zum Hofrat, bzw. zu den Regierungen. Hofrat und Regierungen hatten jedoch die Befugnis, wichtige Verfahren ganz an sich zu ziehen und in Malefizsachen (Blutgerichtssachen) entwickelten sich die Landgerichte mehr und mehr zu bloßen Exekutivbehörden; sie durften in allen wichtigen Verfahrensschritten nur im Zusammenwirken mit Hofrat und Regierungen tätig werden. Spätestens seit dem 16. Jh. war daher eine zentrale Überwachung und Leitung der Strafrechtspflege im Herzogtum Bayern gewährleistet, wenigstens soweit schwere Delikte (Malefizsachen, Vitzthumshändel) in Frage standen. Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Zentralisierung leistete der Rentmeister, der auf seinen Umritten die Amtsführung der Landgerichte kontrollierte und gleichzeitig auch selbständig Strafen verhängte.
Ohne Mitwirkung von Hofrat, Regierungen und Rentmeister konnten die Landgerichte nur noch niedergerichtliche Delikte aburteilen. Eine verbindliche Abgrenzung zwischen strafrechtlicher Hoch- und Niedergerichtsbarkeit gab es, wenigstens nach Meinung der bayerischen Landesherrn, nicht. In den Landesfreiheitserklärungen findet sich zwar ein Katalog der »Vitzthumshändel«, in dem Delikte aufgelistet sind, die sich der Landesherr, bzw. seine Stellvertreter (Vitzthum) zur Aburteilung vorbehalten hatte. Grundsätzlich diente dieser Katalog dazu, die ständische Gerichtsbarkeit in den Hofmarken von der landesherrlichen Gerichtsbarkeit abzugrenzen. Ausgeklammert waren aber von dieser Abgrenzung, wenigstens nach Meinung der bayerischen Landesherrn des 16./17. Jh., alle Religionsdelikte oder solche, die der vom Landesherrn nicht delegierbaren sittlich-religiösen Verantwortung für seine Untertanen entsprangen. Auf dem Landtag von 1612 beschwerte sich die Ritterschaft über die Ausweitung der Vitzthumshändel durch Delikte, die nach landesherrlicher Argumentation »der Religion und landsfürstlichen Obrigkeit anhengig« seien (und damit allein seiner Verfügung unterstanden). Nach Wunsch der Ritterschaft solle in Zukunft darauf geachtet werden, ob die Verbrechen unmittelbar oder nur mittelbar die »articulos fidei« berühren.
Unter Maximilian wurden den Hofmarken und Landgerichten im Rahmen der Rentmeisterumritte gewisse Delikte zur Bestrafung entzogen, je nachdem, ob Maximilian wegen der Zunahme des Delikts oder aus anderen Gründen eine Verschärfung der Strafe oder Intensivierung der Strafverfolgung für wünschenswert hielt. Die strafrechtliche Niedergerichtsbarkeit und ihr Umfang unter Maximilian lassen sich daher mit Gewißheit nur nach den Strafrahmen der Niedergerichte und nicht nach den Delikten selbst bestimmen. Die Strafmöglichkeiten der Niedergerichte beschränkten sich auf Geldbußen, kurze Freiheitsstrafen und bestimmte (nicht infamierende) Schandstrafen. In den Hofmarken durften keine Malefizgefängnisse mit Folterkammern stehen, sondern nur sogenannte »Keuchena« zur kurzzeitigen Einbehaltung von Delinquenten. Auch der Pranger als typische Schandstrafe der Hochgerichtsbarkeit war den Hofmarken untersagt; in ihnen konnten lediglich nicht infamierende Schandsäulen (vor den Kirchen) aufgerichtet werden.
Im peinlichen Verfahren, also außerhalb der Niedergerichtsbarkeit, waren die Landgerichte in allen wichtigen Verfahrensschritten auf die Mitwirkung des Hofrats bzw. der Regierungen angewiesen. Die Mitwirkung der Hofmarken im peinlichen Verfahren beschränkte sich auf die Auslieferung der verhafteten Delinquenten an die Landgerichte. Die Folter durfte von den Pflegern und Landrichtern, außer bei Gefahr im Verzug, nur dann angewandt werden, wenn die Oberbehörde zustimmte. Diese Zustimmung wurde erteilt, wenn die »gütliche« Vernehmung des Delinquenten im Landgericht oder sonstige Umstände den Tatverdacht erhärteten. Der Hofrat bzw. die Regierungen übersandten in diesen Fällen ausgearbeitete Fragekataloge (»Fragstücke«), die von dem Delinquenten auf der Folter beantwortet werden mußten. Auch der Strafausspruch wurde vom Hofrat bzw. den Regierungen erlassen und bei Todesstrafen grundsätzlich vorformuliert.
Das Strafensystem des 16./17. Jh. litt noch darunter, daß Gefängnisstrafen zwar ausgesprochen werden konnten, aber wegen Mangel an geeigneten Gebäuden oder wegen der hohen Kosten nur in Ausnahmefällen vollzogen wurden. Grundsätzlich waren diese daher unerwünscht. Als Alternative zur Todesstrafe gab es für schwere Delikte nur die Landesverweisung oder, bei vermögenden Personen, die Geldstrafe.
Die Landesverweisung (meistens nach vorhergehender Auspeitschung und Ausstellung auf dem Pranger) konnte befristet oder unbefristet ausgesprochen werden. Der Täter mußte in einer sogenannten »Urfehde« schwören, daß er ohne landesherrliche Genehmigung (»Landshuld«) nicht mehr ins Herzogtum zurückkehren werde. Diese »Landshulda« mußte beim Hofrat beantragt werden. Die Erteilung bei unbefristeter Landesverweisung behielt sich Maximilian als Gnadensache selbst vor. Die Landesverweisung war nach Meinung des Landesherrn eine unwirksame Strafe bei Tätertypen, die möglichst weit von den Landesgrenzen ferngehalten werden mußten, wie etwa Wilderern. Maximilian führte daher für kurze Zeit die unter seinem Vater häufiger verhängte Galeerenstrafe ein. Die hohen Kosten und die Unsicherheit des Transports nach Genua oder Venedig verhinderten jedoch eine kontinuierliche Anwendung dieser Strafe. In der Regierungszeit Maximilians kam es dann erstmals in größerem Umfang zur Verhängung von Zwangsarbeitsstrafen. Die Verurteilten wurden im Kriegsdienst (hier vor allem bei der Artillerie) und beim Festungsbau eingesetzt. 1650 schließlich verbot Maximilian die Landesverweisung zugunsten der Zwangsarbeit völlig. Die Begründung für diesen Schritt läßt Motive der Resozialisierung anklingen: die Delinquenten würden durch die Landesverweisung und durch die vorhergehende entehrende Auspeitschung und Ausstellung am Pranger nicht gebessert, sondern in ihren schlechten Anlagen nur bestärkt werden. Unschuldige Familienmitglieder müßten unter der oft langjährigen Abwesenheit der Verurteilten leiden. Außerdem sei auch dem gemeinen Wesen mehr gedient, wenn die Verbrecher nützliche Arbeit bei öffentlichen Bauten etc. leisten würden. Diese Grundgedanken Maximilians werden bei der Errichtung des Zucht- und Arbeitshauses durch seinen Enkel im Jahre 1682 wieder aufgenommen. Die Abschaffung der Landesverweisung hat sich bei seinen Nachfolgern allerdings nicht durchsetzen können.
War nach Meinung des Hofrats ein Verbrechen mit dem Tode zu bestrafen, so wurden die Akten des Falles in der Regel dem Bannrichter übersandt. Das Amt des Bannrichters war unter Herzog Albrecht V. geschaffen worden, um die adeligen Pfleger und Landrichter von ihren Aufgaben im Rahmen der Blutgerichsbarkeit zu entlasten. In der Regierungszeit Maximilians amtierte in jedem Rentamt ein Bannrichter; er verfaßte die Urteile und überwachte die Hinrichtungen.
War ein Täter auf Verlangen des Landesherrn oder des Hofrats in den Münchner Falkenturm gebracht worden, so führte der Hofrat die Untersuchung selbst. Die Vernehmungen im Falkenturm leitete der Hofoberrichter. Dieses Amt war 1589 gestaffen worden, um das Polizeiwesen in München und die damit betraute städtische Obrigkeit zu beaufsichtigen. Daneben war der Hofoberrichter auch für die Verfahren gegen die im Falkenturm liegenden Delinquenten zuständig.
Gemäß einer Ordnung vom 29. Juni 1590, die das Verfahren in Kriminalsachen vor dem Hofrat regelte, mußte der Hofoberrichter die Aussage des im Falkenturm Verhafteten vor dem Hofrat referieren. Dieser erörterte die Aussage und, wenn notwendig, wurde ein gelehrter Rat beauftragt, auf der Grundlage der vorhandenen Indizien sog. Fragestücke (Interrogatorien) anzufertigen. Diese Fragestücke hatte der Gefangene in Anwesenheit des Hofoberrichters, des Gegenschreibers und zweier Hofräte (je einer von der Gelehrten- und Ritterbank) zu beantworten.
Lagen genügend Indizien vor, konnte der Hofrat unter Zugrundelegung dieser Aussage die Tortur anordnen. Die Tortur mußte in Anwesenheit der beiden delegierten Hofräte und unter Beachtung der verschiedenen Torturgrade, wie sie in der Malefizprozeße von 1616 vorgeschrieben waren, durchgeführt werden.
Die peinlichen Aussagen wurden vom Hofoberrichter protokolliert und von dem bei der Tortur anwesenden gelehrten Rat im HR referiert. Zwischen Aussage und Relation durften nicht mehr als drei Tage liegen. Zur besseren Unterrichtung der Hofräte konnte der zuständige Referent schon vor der eigentlichen Relation in Kürze den Sachverhalt und eventuell die besonderen Milderungsgründe im HR vortragen. Als Korreferent wurde der zweite in den Falkenturm delegierte Hofrat von der Ritterbank bestimmt. Wenn es dann zur Abstimmung über die zu verhängende Strafe kam, gab der Korreferent nach dem Referenten das zweite Votum ab. Am weiteren Strafverfahren war der Hofoberrichter nicht mehr beteiligt.
Aus den Visitationen wird ersichtlich, daß dieses Verfahren zu erheblichen Verzögerungen führte. 1609 wurde daher den Referenten befohlen, ihre Relation auch bei Abwesenheit des Korreferenten vorzutragen. Der Hofoberrichter mußte jeden Monat eine Liste der im Falkenturm verhafteten Delinquenten dem HR vorlegen. Obwohl die Kriminalsachen als causae domini bei den Sitzungen vordringlich behandelt werden mußten, scheinen die Hofräte ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nicht immer mit der von Maximilian gewollten Ausführlichkeit nachgekommen zu sein. Bei der Visitation von 1643 wurde festgestellt, daß der Hofoberrichter in minder bedeutenden Sachen nur noch mit einem gelehrten Rat den Falkenturm besuchte.