Exkurs 2
Exkurs 2: Tacitus
Quellentext
nach: Publius Cornelius Tacitus: Die historischen Versuche. Agricola, Germania, Dialogus. Stuttgart 1967, S. 155-156, S. 162.
11.Über kleinere Dinge gehen die Fürsten zu Rat, über größere alle, so jedoch, daß auch das, worüber die Entscheidung beim Volke liegt, bei den Fürsten vorausbehandelt wird. Sie kommen zusammen, wenn nicht etwas Unvorhergesehenes und Plötzliches eintritt, an bestimmten Tagen, wenn der Mond beginnt oder voll wird;
... Wie es der Masse gefällt, so setzen sie sich hin, in Waffen. Schweigen wird durch die Priester geboten, die dann auch das Recht haben, zur Ordnung anzuhalten. Darauf wird der König oder der Fürst je nach dem Alter, dem Adel, dem Kriegsruhm und der Beredsamkeit angehört, mehr auf Grund der erprobten Fähigkeit zu raten als der Macht zu befehlen. Wenn die Meinung Mißfallen erregt hat, lehnen sie sie mit Gebrüll ab; hat sie gefallen, schlagen sie die Framen zusammen: mit den Waffen zu loben ist die ehrenvollste Art der Zustimmung.
12. Man kann beim Thing auch Klage führen und Gefahr für Leib und Leben anhängig machen. Die Strafen sind unterschieden nach dem Vergehen. Verräter und Überläufer hängen sie an den Bäumen auf, Feiglinge, im Krieg Versagende und körperlich Geschändete versenken sie, indem sie ein Geflecht darüber werfen, in Morast und Sumpf. Die Verschiedenheit der Todesstrafe hat den Sinn, daß man Verbrechen in der Bestrafung öffentlich zeigen müsse, Schandtaten verbergen. Aber auch für kleinere Vergehen gibt es nach ihrem Maß Strafe: mit einer Anzahl Rosse oder Vieh werden die Überführten geahndet. Ein Teil der Geldstrafe wird an den König oder Stamm, ein Teil dem, der gerächt wird, selber oder seinen Verwandten gezahlt Gewählt werden in denselben Versammlungen auch die Fürsten, die Recht in den Gauen und Dörfern sprechen.
21. Aufzunehmen auch die Feindschaften des Vaters oder eines Verwandten sowie die Freundschaften ist Notwendigkeit; sie dauern aber nicht unversöhnlich an: gesühnt wird nämlich sogar ein Totschlag mit einer bestimmten Anzahl von Rindern und Schafen, und das ganze Haus nimmt die Genugtuung an, zum Nutzen für die Öffentlichkeit, weil Feindschaften in Verbindung mit Freiheit gefährlicher sind.
Weiterführende Literatur
- H. Kinder/W. Hilgemann, dtv-Atlas zur Weltgeschichte, München 199529, Art. Germanen, S. 108 ff.
- L. Lutz (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, München 1989, Art. Germanen, Sp. 1338 ff.
- A. Erler/E. Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Gießen 1978, Art. Tacitus, Sp. 106 ff.
- K. Kroeschell, FS H. Thieme, Sigmaringen 1986, S. 3 ff.